Reisetagebuch Barcelona

Erster Tag

Lucas Funcke

Der Hinflug war verspätet, weil eine Frau nicht an Bord war. Dann ging es aber doch los. Im Flugzeug gab es ein halb gefrorenes kostenloses Sandwich und ein paar Turbulenzen. Am Flughafen in Barcelona wurden wir von unserem Reiseführer  abgeholt und mit dem Bus zum Hotel gefahren. Vom Hotel aus sind wir dann in die Stadt gefahren und haben in Gruppen einen Bummel über die Rambla gemacht. Wegen der Taschendiebe gab es viel Polizei in der Stadt. Danach gingen wir zurück zum Hotel, wo es zum Abendbrot Baguette, Salat und Fisch gab.

Zweiter Tag

Thorge Janßen

Heute ist Samstag, der 8. Oktober 2011, der erste ganze Tag in Barcelona.

Aufstehen um kurz vor acht. Für viele keine gute Zeit zum Aufstehen in den Ferien. Alle sind müde von der Anreise. Das Frühstück ist gut, doch es hätte besser sein können. Es gibt Müsli, Wurst, Brot und Olivenöl.

Den Tag beginnen wir mit einer Stadtrundfahrt. Wir fahren zur  Sagrada Familia und besichtigen sie. Die Sagrada Familia hat eine alte und eine neue Seite. Die alte Seite liegt im Süden und die neue im Norden.

Die Südseite ist so verziert, dass man gar nicht mehr erkennen kann, was die Darstellungen bedeuten sollen. Die Nordseite ist weniger verziert, weil sie in der neuen Zeit, im zwanzigsten Jahrhundert gebaut wurde. In der Kirche sind die Fenster im Norden mit kalten Farben bemalt und auf dem Dach im Norden stehen Winterfrüchte. Auf der anderen Seite ist es genau umgekehrt: Warme Farben und Sommerfrüchte. Die Sagrada Familia hat den zweitgrößten Glockenturm Europas. Ich bin von der Kirche sehr beeindruckt!

Weiter geht es zum Parc Güell. Er wird auch Säulenpalast genannt, denn er wird von sehr vielen Säulen getragen. Der Park wurde – ebenso wie die Sagrada Familia  und vieles andere mehr – vom weltberühmten Architekten Antonio Gaudi entworfen.

Beim Bau dieses Parks achtete Gaudi darauf, ihn an die umgebende Natur anzupassen. Für den Bau einer Bank bat er die Bewohner Barcelonas, ihm ihr Altglas zu geben. Die Scherben dieser Gläser dienten ihm als Baustoff für die Bank.

Danach fahren wir auf den Berg Montjuc, auf dem einmal der größte Botanische Garten der Welt enstehen soll. Im Moment kann man sich dieses aber noch nicht vorstellen, weil die Gärten noch nicht angelegt sind.

Als wir oben auf dem Berg anhalten um die schöne Aussicht zu genießen, können wir alle nur noch staunen, denn von dort oben kann man fast ganz Barcelona sehen, auch den Hafen, den wir danach besuchen.

Sagrada Familia

In der Hafencity gibt es ein Viertel, wo viele Studenten und Studentinnen leben, weil die Häuser dort günstig sind. Trotzdem haben sie eine gute Lage, sie liegen ja direkt am Meer.

Nach der Stadtrundfahrt fahren wir wieder in unsere Jugendherberge und ziehen uns für das Konzert um.

Obwohl nur wenige Besucher in der Kirche sind, geben wir unser  Bestes.

Nach dem Konzert essen wir Abendbrot. Danach gehen wir Knaben gleich ins Bett, während die Männer noch aufbleiben um in die Stadt zu gehen, zu Meyern und sich zu unterhalten.

Dritter Tag

Lars Schirrmeister

Der Sonntag begann wiederum mit dem für spanische Verhältnisse sehr frühen Frühstück um acht Uhr.

Nachdem wir uns mit Brot, süßem Croissant und Zuckerschnecke gestärkt hatten, ging es auch sogleich mit der grünen Linie L-Drei zum Plaza Catalunya, um dort, vor dem örtlichen «Hard Rock Café» – manches ist überall gleich doof – unsere beiden Reisebegleiter für einen Stadtrundgang zu treffen.

Unsere beiden Reisebegleiter? Jaha! Heute sollte zusätzlich Carmen – ausgesprochen mit weichem k und rollendem r weckt der Name, nun ja, Assoziationen – unsere Gruppe begleiten.

Leider erfüllte sich die durch den Klang des Namens aufgebaute Erwartung nicht. Wir hatten es nicht mit einer blutjungen, gut aussehenden, rassigen Zigeunerin dafür aber immerhin mit einer echten Katalanin zu tun.

Montbau

Die Stimme, vom Gebrauch des Spanischen und des Nikotin geformt, hauchte uns reibeisig mit starkem Akzent aus einer sonnen- und rauchgegerbten bronzefarbigen und mit tausend Grübchen und Gruben geschmückten Spanierin fortgeschrittenen Alters entgegen. Im Mund blitzen bei jedem Lächeln im herrlichen Kontrast zur braunen Haut die weißen Zähne, was umso überraschender war, da man doch eigentlich Nikotingelb erwarten sollte.

Wir wurden dann aller strengsten nach Geburtsmonat getrennt in zwei Gruppen durch die Altstadt östlich der Rambla geführt. Wir sahen Römergräber, die mit Löchern versehen waren, um die Toten mit Speisen zu versorgen, enge dunkle Gassen mit Straßenmusikern und -händlern und betrachteten romanische und gotische Kirchen. Unter anderem auch die «Santa Maria del Pi», in der wir an diesem Abend unser Konzert gehabt haben werden. Pi bedeutet Pinie und es gibt immerhin eine kleine Pinie auf dem Platz vor dem dunklen Portal der gotischen Kirche, auf dem einen der kräftige Duft von Käse, Wurst und anderen Köstlichkeiten, die dort feilgeboten werden, entgegen schlägt. Wir betrachteten den imposanten Bau. Der Raum war dunkel aber trotzdem mystisch erleuchtet durch die vielen bunten Seitenfenster und die große Glasrose über dem Eingangstor. An den Seiten des Schiffes liegen diese kleinen aneinandergereiten, für hier typischen Altäre, die kunstvoll aus dunklem Holz geschnitzt, mit farbenkräftigen Bildern versehen und Gold verkleidet sind. Dies und die in den Boden eingelassenen Grabplatten verstärkten die Atmosphäre und ich freute mich sehr darauf, in diesem Raum singen zu dürfen.

Wir zogen weiter und entdeckten noch die heiligen Gänse der Kathedrale und die letzten Reste der ursprünglichen römischen Siedlung; die Säulen eines Tempels und die alte Stadtmauer.

Ein Problem für die Bewohner der Stadt, denn so wie man einen Spaten in die Erde stößt, stößt man hier so gut wie überall auf die Überreste der römischen Zivilisation, und die müssen dann natürlich fachmännisch geborgen werden. Also lässt man den Spaten lieber ganz aus dem Spiel.

Nachdem unsere Knaben noch die Chance hatten und auch reichlich davon gebrauch machten, von demonstrativ und nervenraubend fiependen Straßenhändlern Pfeifen und «Leuchtschleudern» abzukaufen, ging es nach Hause zum Mittag.

Nach kurzer Ruhe machten wir uns dann, natürlich in Konzertkleidung, am frühen Nachmittag – für spanische Verhältnisse mitten in der Mittagspause, zum Glück war Sonntag – zur Probe und Konzert auf.

Kurz vor dem Konzert konnte ich noch einmal die Ruhe genießen und Kraft schöpfen in einem dieser wunderbaren barcelonettischen Innenhöfe, eingeschlossen von den Kirchengebäuden und mehrstöckigen Wohnhäusern, grün bepflanzt, ohne direkte Sonne aber hell und warm mit tiefblauem Himmelsdach und einer Katze, die schnurrend um meine Beine strich.

Dann ging es endlich los: Auftritt aus der Krypta. Aus der Erfahrung des gestrigen Konzerts lernend, bat Linus – in, wie mein geschultes, fachmännisches Ohr sofort erkannte, hervorragendem Spanisch – um Ruhe und das Unterlassen des Applauses zwischen den einzelnen Motetten und tatsächlich gelang es uns, obwohl die Kirche offen blieb und leise und entfernt die Geräusche des Marktes und auch Menschen vom Markt in die Kirche hinein schwappten und das Publikum auch mehr oder minder stetig wechselte, ein stimmungsvolles und schönes Konzert zu singen. In Hamburg wäre diese Taubenschlagmanier natürlich ein Unding, hier passt es aber trotzdem irgendwie ganz gut. Wieder zurück in unserer Unterkunft und nach dem reichhaltigen Abendessen, es gab mittags und abends jeweils zwei Gänge und noch Obst und Joghurt, gingen die noch nicht chorvolljährigen Knaben ins Bett. Dabei bekamen sie schnell noch von einem daheim gebliebenen Quartett ein Gutenachtständchen gesungen. Die Chorvolljährigen und Männer machten sich derweilen noch einmal auf, auf der Rambla das nächtliche Barcelona zu erleben. Dieser Ausflug gab dann einigen man könnte auch sagen, den letzten, Männern noch die Gelegenheit, einen Mitternachtssnack in einer Tapasbar zu genießen und das Nachtbussystem zu testen. Was für ein Tag!

Fünfter Tag

Leonhard Kamps

Der Tag begann, wie wir es mittlerweile gewohnt waren, denn die Halbzeit der Reise war schon erreicht. Wie es auch im Fußball üblich ist, gab es Entspannung und Erholung für die Aktiven und gute Unterhaltung für die Zuschauer, dazu später mehr.

Zum Frühstück ließen Lars und Herr Kaiser ihrem Forscherdrang freien Lauf und testeten die Summtöne der zwei Kaffeemaschinen im Esssaal. Pssst! Seid mal kurz leise – Wwwwwwkch. Passt. Dann muss wohl auch der Kaffee mit identischem Druck gebrüht werden. Ergo: Gleicher Genuss.

Nach diesem Kaffeemaschinensummtonhörvergleich trafen wir Norbert, um um neun Uhr die Segel zu setzen, Kurs in Richtung Costa Brava.

In gedämpfter Stimmung genossen wir die Fahrt, die mitgebrachte Lektüre und Musik aus diversen iPodstöpseln. Die Straße führte uns am Meer entlang und mit der sich in den sanften Wogen des Meeres spiegelnden Sonne stieg die Dichte an Sonnenbrillen. An uns vorbei rauschte ein spanischer Traum aus Vorortvillen, Erdbeerfeldern und, huch, ein FKK-Strand. Leicht geweckt aus dem Dahingedöse wurde der, der es bemerkte, nur, als wir durch die mit Werbung fürs Oktoberfest gepflasterten Straßen Callas fuhren.

Nach einer «spanischen Stunde» – Norbert, also einer Stunde und zwanzig Minuten war das gewünschte Ziel erreicht, Blanes.

Es präsentierte sich uns in originaler spanischer Manier. Auf dem kleinen Rundgang am Wochenmarkt entlang zur Hauptstraße, schienen wir tatsächlich die einzigen Touristen zu sein. Wir teilten uns in kleine Gruppen auf und guckten uns um und die Opas auf den Bänken am Hauptplatz guckten interessiert zurück.

Zu sehen gab es wieder einiges, den botanischen Garten, die Altstadt mit engen Gassen und kleinen Geschäften und natürlich das Meer, den Strand, den riesigen Felsen am Strand, im Meer.

Auch die letzten zog es nach einer guten Stunde an den Strand. Leider etwas zu körniger Sand, also nur für Hartgesottene oder für stark Behornhautete ein geeigneter Untergrund für Beachvolleyball und Strandfußball. Das Meer mit himmelblauem, klarem Wasser bot Abkühlung.

Die Stunden verstrichen mit wunderbaren Zeitvertreiben. Schwimmen bis zur Boje, Boote beobachten, die auf den Strand auffahren, Sonne tanken, schwimmen, planschen, lässig an der Palme lehnen. Eis auf Spanisch bestellen: «Mediano – Una bola de fresa, limón, chocolate, pitufos, por favor». Pitufos sind Schlümpfe.

Um sechzehn Uhr machten wir uns wieder auf, um Norbert beim Bus zu treffen. Auf der Rückfahrt wurden ausgiebig Kameras getauscht. Die gemachten Bilder wurden präsentiert. Zurück in der Herberge war noch Zeit, bis zum Abendessen zu überbrücken. Fußball, Basketball, im dritten Stock auf dem Klavier spielen, die Gärten erkunden. Beim Abendessen war klar, haltet euch beim Primer Plato, Vorspeise zurück, denn es gibt noch Segundo Plato, das Hauptgericht.

Nach dem Abendessen ergab sich unerwartet ein weiteres Highlight der Reise, leider aber nur für den Kammerchor. Am Vortag hatten die Männer den Damen von der Küche ein Ständchen versprochen, das wollten wir dann einlösen. Die Männer und ein paar Chorvolljährige sammelten sich um einen Tisch und dank anwesender iPhones war auch ein Stimmton gefunden und los ging’s. Das erste Stück war rum und plötzlich: Tosender Applaus! Mit im Esssaal war eine internationale Pilgergruppe von älteren Damen, die uns feierten und anfeuerten. Das zweite Stück, noch ein Lied, und noch eins, und eins haben wir doch noch. Das Kammerchorrepertoire war schon präsentiert, da ging es weiter mit Gesamtchorstücken. Überraschend gut waren der Sopran und der Alt zu hören, auch wenn nur ein Zehntel des Soprans und ein Drittel des Alts da war. Unsere neu gewonnenen Fans verteilten sich an die Tische und hörten uns aufmerksam zu. Nach einer gefühlten Stunde zog das Konzert dann um, denn die Küche musste schließen. Wir gingen runter und sangen auf dem Platz vor dem Herrenhaus weiter. Für uns wurde extra das Flutlicht angemacht, denn es war schon dunkel geworden. Die Zuschauerschaft setzte sich auf die Stufen uns gegenüber und eine magische Atmosphäre breitete sich aus. Für das wirklich letzte Stück zogen wir in einen gewölbten Gang zwischen zwei Säulen und sangen zum Abschluss Salve Regina, was besonders gut passte, denn auf dem Gelände standen viele Marienstatuen. Es war ganz still, nur der gregorianische Choral hallte durch die Luft. Danach noch ein paar Hände schütteln und der Tag war fertig. Unvergesslich.

Vierter Tag

Alexander Berkowitz

Um halb zehn sind wir vom Marti Codolar Richtung Mont Serrat aufgebrochen. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten, der Bus springt ungefähr genauso gut an wie Zwergos zwanzig Jahre alter Golf, geht der Ausflug los. Carmen unsere spanisch- katalanische Reisebegleitung versorgt uns die ganze Hinfahrt mit Informationen über die Umgebung. Vom Seatwerk bis hin zum Konglumerat der Bergmassive sind die Blicke auf der Fahrt stehts nach links und rechts gerichtet. Gegen zehn Uhr fünfundreißig kommen wir dann an dem weißen Gebäude, welches uns schon von weiten als Parkplatz ausgewiesen wurde, an.

Die Serpentinen haben alle unbeschadet überstanden und wurden nun wird die gesamte Gruppe mit dem überwältigendem Panorama belohnt.

Kurze Foto, Souvenirs und Essenspause, von den älteren als Kaffeepause verwendet und weiter geht’s mit einer Führung über die Klosteranlage. Der Plan von Montserrat, der in gewisserweise einer Tablettauflage einer berühmten Fastfoodkette gleicht wird ausgeteilt und die Führung beginnt.

Carmen erhält noch Verstärkung durch zwei Angestellte des Klosters.

Wieder teilen wir uns auf und werden von einer attraktiven Spanierin und einem Spanier durch die Schule, die Probenräume und die Privaträume der Scola geführt. Wir erfahren, dass jeder der Sänger Klavier und zusätzlich ein Orchesterinstrument spielen muss. Aber viel interessanter ist die Tatsache, dass jeder der in dieser Schule ausgebildet werden will, in erster Linie die Stimme als sein Hauptinstrument gewählt haben muss.

Schlafräume sind nur dich eine Wand getrennt und die PlayStation wird regelmäßig weggeschlossen.

Wir singen uns innerhalb ihres Probensaales ein und gehen dann in die Basilika. Aufstellung vor dem Altar, die schwarze Madonna im Rücken singen wir O Magnum, Salve Regina und das Heilig. Direkt danach und werden die Pilger und Besucher in fünf verschiedenen Sprachen, unter anderem Deutsch begrüßt. Nach einem gemeinsamen VaterUnser in allen Sprachen, beginnt der Chor mit dem Salve Regina, das für die Madonna gesungen wird. Danach folgt ein traditionelles Volkslied. Wir versammeln uns noch draußen vor der Kirche für ein Gruppenfoto und machen uns dann auf den weg zum Bus. Alle da, Abfahrt! Auch auf der Rückfahrt werden wir wieder mit dem traumhaften Blick bis hin zum Meer verwöhnt. Allerdings nehmen wir einen anderen Weg zurück, um mehr über Montserrat zu erfahren. Wir sehen einen Elenfantenkopf, ein Kamel, Mönche, Nadeln und das Profil einer Madonna die am Berg verewigt sind. Carmen ist auch auf der Rückfahrt nicht müde uns noch weitere Details über ihre wunderschöne Region zu erklären. Gegen fünfzehn Uhr kommen wir wieder im Marti Codolar an. Der nette Hinweis von Carmen beim Aussteigen doch auf die Krümelchens zu achten hatte sich gelohnt, der Bus wurde trotz Luchpaketverzehr sauber hinterlassen.

Nach einer Stunde unruhigen schlafens, haben sich einige der volljährigen Männer mit ein paar Knaben auf in die Innenstadt gemacht. Hier werden kleine Gruppen gebildet und so werden von ein paar versprengten deutschen Jugendlichen T-Shirtverkäufer übers Ohr gehauen, Hektoliter Cola konsumiert und einige komplette Gruppen erscheinen zur gegebener Zeit allesamt mit eisverschmierten Mündern am gemeinsamen Treffpunkt auf den Treppen der Kathedrale von Barcelona. Ab über die Rambla zum placia Catalunya, rein in die Bahn und Montbau raus. Um halb neun gibts Abendbrot. Ein typisch spanisches Kartoffelpüree mit Knackwurst. Nachtisch Obst. So klingt dann auch unser vierter Tag langsam aus. Morgen geht’s zum Strand!

Sechster Tag

Ulrich Kaiser

«Fünf Uhr fünfundvierzig wurden wir geweckt. Dann bekamen wir ein nicht besonders schmeckendes Frühstück und –» So beginnt mein Reisetagebuch der ersten Konzertreise mit dem Dresdner Kreuzchor in die damalige Sowjetunion vom 25. Februar 1985. Erwähnt sei, dass sich die weitere Reise dann doch noch zum Positiven veränderte und zu den schönsten Erinnerungen meiner Chorzeit gehört. Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass ich mich sechsundzwanzig Jahre später noch mal zu einem weiteren Tagesprotokoll überreden lassen würde, aber dem ohrenbetäubenden Gebrüll des Chores «Heeeeeeaaaarrr Kaaaaaaaaaaaiiiiiiiiiisssssssssääääääääeeeeeerrrrr» auf die Frage nach freiwilligen Schreiberlingen konnte ich mich einfach nicht widersetzen.

Tatsächlich begann mein persönlicher Morgen mit einem Dankgebet für unseren Orga-Chef Imanuel, dem wir die dringend notwendige Verschiebung der Frühstückszeit um eine Stunde auf späte neun Uhr mitelleuropäischer Sommerzeit zu verdanken hatten. Auf dem Weg zum Speisesaal erinnerte ich mich daran, wie ich Imanuel als damals zwölfjährigen Sopran kennen gelernt habe. Gute acht Jahre später war er der vielleicht beste Reisechef aller Zeiten. Wirklich beruhigend, als Chorleiter einen so souveränen und zuverlässigen Menschen an seiner Seite zu haben.

Nachdem ich mit Lars während des Frühstücks die klanglich-intonatorischen Unterschiede der beiden zu Verfügung stehenden Kaffeeautomaten untersucht und wir beide einem intensiven und strengen Geschmackstest unterzogen hatten, begannen die Vorbereitungen für das von Linus organisierte Fußballturnier. Dieses ließ ich mir jedoch – zum überhaupt allerersten Mal – entgehen, am Vortag wurde ich von halbstarken Jungmännern erbarmungslos über den Strand ins Wasser gejagt und hatte mein Soll an Bewegung somit längst erfüllt, sondern zog  mit einer kleinen Gruppe unermüdlicher Barcelonafans – Jonas, Aaron, Merlin und Lukas – noch mal zur Metro, die uns schnell in diese faszinierende Stadt brachte.  Nach der Stillung der wichtigsten menschlichen Bedürfnisse, Sonnenbrille für fünf Euro, Souvenir für Mama, kleine Pfeife, zogen wir durch die Gassen der zauberhaften Altstadt. Dabei erlöste Merlin noch eine Barcelonatasse aus ihrer Gefangenschaft und zeigte uns, wie man so etwas von zwölf auf vier Euro herunterhandelt.

Um halb eins trafen wir uns dann mit Imanuel, Leonard und unserem aufmerksamen, immer mit Kamera bewaffneten Synkoperedakteur Joel zum abschließenden Kaffeegenuss am Platz der Kathedrale und fuhren zurück, wobei wir uns auf die Chorprobe freuten, denn das letzte Konzert war einfach fantastisch gewesen, was man vom ersten Auftritt wahrlich nicht sagen konnte.

Nachdem sehr liebevoll zubereiteten und umfangreichen Mittagessen legten wir noch eine kurze Siesta ein, bei der sich alle Männer über alle Knaben freuten, die auf das beliebte Türknallen verzichteten. Kurz nach vier fuhren wir mit dem Bus in die Stadt und stellten fest, dass es hier mit gefühlten vierunddreißig Grand im Schatten noch wärmer als in der Vorstadt war. Unser netter Reiseleiter No-o-o-obert beruhigte uns aber mit der Info, dass es in der Kirche sehr kühl sein solle, wobei er aber zu erwähnen vergaß, dass das in erster Linie der lautstarken Klimaanlage zu verdanken war. Nach der Probe in der Kirche Mare de Déu de Núria zogen wir uns in die äußerst engen Aufenthaltsräume zurück und sammelten unsere Kräfte, die wir auch brauchten, da die Klimaanlage mit Probenbeginn ausgeschaltet wurde, für das letzte Konzert dieser wundebaren Reise. Wir sangen das Programm unseres Jubiläumskonzertes, an mancher Stelle klangen mir noch die Instrumente im Ohr, ergänzt von einigen weiteren barocken Motetten, so dass der Chor die Stunde ganz allein gestaltete. Die Jungs gaben wirklich ihr Bestes und ersangen sich einen würdigen musikalischen Abschluss der Konzertreise – und auch der Flüssigkeitsverlust dürfte summa summarum bei einigen hundert Litern gelegen haben.

Nach dem Konzert und der obligatorischen Flucht vor mitgereisten Fans aus Deutschland ging es zurück ins Hotel, wo wir von einem schmackhaften Essen empfangen wurden. Nachdem alle Knaben friedlich eingeschlummert waren – oder wenigstens so taten – zog es mich mit einigen anderen – volljährigen! – Helden ein weiteres Mal ins magisch-dunkle Barcelona. Da diese Aktivitäten jedoch die Tagesgrenze deutlich hinter sich ließen, sollte auch mein allerallerallerletzter Reisetagebucheintrag an dieser Stelle besser enden –

Siebter Tag

Moritz von Iljin

Der Tag der Abreise begann wie fast jeder andere mit gemütlichem Aufstehen und einem entspannten Frühstück. Danach wurde mit viel Zeit und ohne Gehetze die Sachen gepacken und draußen abgestellen. Die üblichen Verantwortungsvollen checkten die Zimmer nach liegengebliebenen Zahnbürsten, Kuscheltieren, Chormappen und schlafenden Knaben, aber auch dies ging zügig und locker vonstatten, reine Routine, so scheint es.

Der Bus war überpünktlich, die Sachen schnell verstaut und der gesamte Ablauf dieses Morgens so reibungslos und unbeschwert wie es unter der spanischen Sonne nur möglich ist. Reiseführerin Carmen klärte uns ein letztes Mal leicht zerknittert über die Sehenswürdigkeiten auf dem Weg zum Flughafen auf; eine sehr beeindruckende Strecke, soviel war am Ende der Fahrt wohl allen klar. Hieran schloss sich der definitive Höhepunkt des Tages, von dem ich leide nur aus zweiter Hand berichten kann. Doch es muss sich ungefähr so zugetragen haben: Imanuel und die gelernte, ausgebildete und erfahrene Reiseleiterin Carmen gingen ins Flughafenterminal zu den Schaltern, um eine best- und schnellstmögliche Abwicklung unserer Reisegruppe zu organisieren. Im Laufe dieses Organisierens stellte sich heraus, dass Carmen wahrscheinlich noch nie zuvor einen Flughafen von innen gesehen hatte, oder aber an massiver spontaner Ahnungslosigkeit litt. So fragte sie Imanuel, Ohrenzeugen berichteten, was wir denn mit dem ganzen Gepäck machen würden, nachdem er die Flugtickets kaufen würde. Ob wir die Koffer nicht noch irgendwo durchleuchten lassen müssten, und wie um alles in der Welt die ganzen Knaben ihr Gepäck bis in den Flieger schleppen würden. Zugegeben, die Geschichte und ihr genauerer Wortlaut mögen sich von Erzählung zu Erzählung etwas verändert haben, aber das Prinzip bleibt deutlich. Nachdem also alle Klarheiten bezüglich des Eincheckens beseitigt waren, checkten wir ein. Leicht, locker, ohne Zeitdruck und pünktlich wie ein Knabenchor. Letze Souvenirs und Briefmarken wurden gekauft, letzte Briefe geschrieben, und in einem Fall sogar noch eingeworfen, was einen kleinen Trip durch die Sicherheitskontrollen und wieder zurück für Leonard bedeutete.

Start, Flug, Landung verliefen nach wie vor tiefenentspannt. Lediglich der Kaiserliche Zwang noch am Gepäckband zwei Stücke zu schmettern, eines halbherzig, eines aus voller Kehle, war dann doch etwas zermürbend. Aber Eltern empfingen den Chor, Rosen wurden verteilt, quasi ein kleiner Staatsempfang uns bereitet. Schön war’s.

Diesen Tag zeichnet aus, dass er so stellvertretend und exemplarisch für alle anderen Reisetage ist. Ein Vorzeigetag! Ich habe wirklich selten eine Abreise ohne Stress erlebt, und das schon bei wesentlich kleineren Gruppen, aber dass es die Organisierenden und die Ausführenden, vor allem Imanuel, bei einer knapp fünfzigköpfigen Truppe fertiggebracht haben, eine Reise so strukturiert und stressfrei umzusetzen, dafür gebührt ihnen Respekt und großer Dank.