Käse oder Wurst?

Das Probenwochenende im März 2015 war insofern ein besonderes, als es doch den Abschied von der langen Tradition bedeutete, dass Probenwochenenden im Sunderhof stattfinden.

Realität schien dies, besonders für die Männer zu werden, als wir Freitag nachmittags aufbrach, um die Autobahn Eins in Richtung Lübeck zu nehmen. Ziel des Wochenendes war die Jugend- und Bildungsstätte Klingberg bei Scharbeutz. Auf der rund einstündigen Fahrt wähnte sich manch ein Sänger schon in einem Domizil mit direktem Blick auf die Ostsee. Bei denen, die sich nicht im Vorfeld im World Wide Web informiert hatten, weckte der Name der Einrichtung Assoziationen daran, die Mittagspause am Strand zu verbringen und an Nachtwanderungen unter von Sternen bedecktem Himmel.

Angekommen stellte wir jedoch schnell fest: Es war kein Wasser und kein Strand zu sehen, dafür aber viel Wald und Feld. Es schien, als wäre die Jugend- und Bildungsstätte anderen Unterkünften sehr ähnlich. Nachdem sie sich mit der Umgebung arrangiert hatten, wurden die Männer doch noch von der Herberge überrascht. Beim Rundgang mit dem Herbergsvater stellte sich schnell heraus: Hier ist nichts wie sonst! Zwar gibt es in Klingberg ein großes Haupthaus, in dem gegessen, geprobt und gespielt wird, die Zimmer jedoch befinden sich im Nebenhaus. Das Besondere ist, dass sie ohne Flur oder Treppenhaus nach draußen führen.

Besonders den Knaben war die Begeisterung dieses Umstandes wegen deutlich anzumerken und es ergab sich somit die Möglichkeit, schnell und unkompliziert die stickige Luft des Zimmers gegen das rauschen des Waldes auszutauschen. Die Begeisterung der Knaben teilten die Betreuer, da sie vom Treiben der Knaben wenig mitbekamen.

Pünktlich zum Abendessen waren die Knaben auf die Zimmer aufgeteilt, sodass einem üppigem Mahl nichts mehr im Wege zu stehen schien, fast nichts. Einzig die Auswahl der Herberge machte uns einen Strich durch die Rechnung. Zwar wurden die Grundbedürfnisse gedeckt, dennoch wurde eine Frage für jeden einzelnen Sänger zum Überleben existenziell: Käse oder Wurst?

Nach der ersten Probe am Abend machten es sich einige Sänger bis zum Zubettgehen bei einer Vorleserunde gemütlich, bei der nicht nur vorgelesen wurde, sondern auch spannendes Allgemeinwissen der verschiedensten Themen unter den Knaben ausgetauscht wurde.

Der nächste Tag begann wie ein richtiger Tag auf einem Probenwochenende auszusehen hat: bewölkt, kalt und regnerisch – wenigstens mit dieser Tradition wurde an dem Wochenende nicht gebrochen und auch das Frühstück offenbarte ein reichhaltigeres Angebot als befürchtet. Es versprach also ein guter Tag zu werden. Dieses Motto schien sich auch der Chorleiter Bens Jauditz, Name geändert, auf die Fahnen geschrieben zu haben. Zwar ist der Chor es gewohnt, regelmäßig qualitativ hochwertige Sprüche des Chorleiters zu hören, die Quantität an diesem Tag überforderte jedoch unseren für die Sprüche zuständigen Redakteur, da er mit dem Aufschreiben nicht hinterherkam. Einer dieser Sprüche soll hier analysiert werden, verdeutlicht er doch mit nahezu spielerischer Leichtigkeit die regionalen Unterschiede der deutschen Sprache. Bauditz zum Alt: «Ihr guckt wie ne Kuh wenns donnert –». Dieser Spruch brachte, obwohl nicht beabsichtigt, den gesamten Chor zum lachen. Bauditz weiter: «Sagt man das hier nicht so? In Sachsen sagt man das so –»

Zwar hat die Redaktion keine Kosten und Mühen gescheut eine solche Kuh zu fotografieren, jedoch war es aufgrund der Sicherheitslage des Fotografen, Blitze können auch auf freier Fläche einschlagen, leider nicht möglich.

Auf diese Weise lernten die Sänger nicht nur musikalisches in der Probe, sondern zusätzlich sprachliche Feinheiten des Sächsischen.

In der Mittagspause war dann das Allgemeinwissen der Knaben beim Buzzerquiz gefragt. Nicht schlecht staunten die Moderatoren über einige Antworten. So war beispielsweise die Antwort auf die Frage ‹In welcher deutschen Stadt steht die Peterskirche?›: «Wien!»

Doch nicht nur die Knaben waren in dieser Pause beschäftigt. Zur Vorbereitung einer Nachtwanderung, sollte sich das Wetter doch noch ändern, wagten sich zwei Männer hinaus, um eine mögliche Route zu erkunden. Angetrieben vom Gedanken an eine Nachwanderung am Strand und Meer machten sich die unerschrockenen auf den Weg, das Meer kann ja nicht weit sein. Tatsächlich erreichten die beiden das Meer auch, allerdings erst nach über einer Stunde. Um die Geschichte später glaubhaft belegen zu können wurden Beweisfotos mit Meer und Strand im Hintergrund geschossen. Es blieb jedoch nicht viel Zeit, das Panorama im holsteinischem Regen zu genießen, da ein pünktliches Erscheinen zur anschließenden Probe Anlass zur Eile bot. Leider fiel die Nachtwanderung aufgrund des Wetters ins Wasser.

Der Sonntag hingegen zeigte sich von einer ganz anderen Seite: Zur Abwechslung strahlte die Sonne, was die Knaben allerdings nicht davon abhielt, an den verschiedenen Kickertischen im Keller zu kickern oder Tischtennis zu spielen. Wie jedes Probenwochenende endete auch dieses um fünfzehn Uhr mit einem kleinen Ständchen für die Eltern, welche sich mit müden aber glücklichen Söhnen auf die Heimfahrt machten.