Chorgemeinschaft. Kommentar
Fünf Wochen waren eine lange Zeit. Da passte viel rein, vom Ausschlafen über Ausflüge an die See bis zum sonnigen Urlaub im Süden. Ferien pur! Aber irgendetwas fehlte –
Wir schreiben den 24. August 2016. Lankau, ein kleines unscheinbares Örtchen, viel Grün und menschenleere Wege. Schleswig-Holstein von seiner ruhigsten Seite. Und gar noch einsamer, abseits des nicht vorhandenen Trubels der Gemeinde Lankau, verstecken sich ein paar kleine Häuser. Ein altes Schild verrät: Schullandheim Lankau. Mit viel Mut und Vertrauen in die eigenen vier Räder haben die Familien des Hauptchores vom Neuen Knabenchor Hamburg den Schotterweg ins Nirgendwo überwunden.
Später: Erste Töne erklingen, aus zaghaften Stimmübungen werden mehrstimmige Sätze, der Ferienrost verhallt im Wald und es erhebt sich ein tiefgründig mitreißender Klang. Jetzt wissen wir, was fehlte.
Noch später: Cantate Domino und Adoremus te haben sich mit den seltenen Schiffen auf dem Elbe-Lübeck-Kanal aus dem Staub gemacht. Dafür wirbelt der sandige Fußballplatz gehörig Staub in die Luft, nebenbei erklingen die Rhythmen von Tischtennisbällen. Aus dem Ringen um schöne Klänge reift längst das Gebrüll der Räuber und Gendarm zwischen den Bäumen und Sträuchern. Auch das fehlte.
Nach fünf Wochen hören und sehen wir uns wieder und es ist so, wie in besten Jugendbüchern und Chorfilmen klischeehaft beschrieben: eine vertraute Gemeinschaft braucht keine Anlaufzeit. Hier spielen sich Klein und Groß die Bälle zu, man ist verbunden durch Gesang und viele Erlebnisse. Und nach erholsamen Ferienwochen, ohne morgendlichen Matheunterricht und einen Berg Hausaufgaben nach der Ganztagsschule, tobt es sich nochmal so gut der Schlafenszeit entgegen.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich aber auch, dass so eine Gemeinschaft kein Selbstläufer ist. Intern muss bisweilen ein Streit geschlichtet werden, wenn Räuber und Gendarm beim Stöckeschnitzen aneinander geraten. Das ist glücklicherweise mit einer Entschuldigung meist schnell vergessen. – Aber vor allem müssen das Vertrauen und der Zusammenhalt gepflegt werden durch regelmäßige neue Erlebnisse und Gemeinsamkeiten, an denen alle Chorsänger teilnehmen: von unseren ganz normalen Proben über Auftritte und Konzerte bis hin zu solchen Fahrten und Konzerttourneen. So erleben die Jungen in einer durch ihre eigene Entwicklung sich ständig verändernden Welt, wie wertvoll die Konstante Knabenchor für sie ist. Das gibt ihnen sogar und ausgerechnet auch dann Halt und Bereicherung, wenn die Schule einmal stressig und die Hausaufgaben wieder viel zu umfangreich sind.
Und so möchte ich allen Choreltern dafür danken, dass Sie ihre tollen Söhne und unser wunderbares Ensemble so engagiert unterstützen und möchte nicht müde werden, im Sinne dieses und aller kommenden Jubiläen auf die Wichtigkeit des Chorgeistes hinzuweisen. Denn neben dem musikalischen Lernerfolg sind es vor allem dieses soziale Miteinander, Verlässlichkeit und individuelle Entfaltung in vertrauter Runde, die alle ehemaligen und aktuellen Sänger durch ihre Kinder- und Jugendjahre begleitet haben und begleiten und prägen. Und die den Neuen Knabenchor Hamburg zu einer erwachsenen, fünfundzwanzigjährigen Institution werden ließen.