Nachtzug

Musikalisch gesehen Folge 23

Eine Fortsetzung von Folge 19 *Zug von Jacob Helbig*

Ein Nachtzug ist ein recht langweilig aussehendes Objekt, das auf Schienen rollt und in Waggons unterteilt ist. Diese Waggons bestehen aus einem Gang, der mit Mühe zwei aufrecht stehende Männer breit ist, sowie Abteilen, die bei ausgeklappten Betten einen Knaben breit sind. Solche Nachtzüge dienen vordergründig dem Transport des Neuen Knabenchores Hamburg von einem internationalen Bahnhof zu einem Pendant im Ausland. Im Rahmen von Konzerttourneen erfreuen sich diese immer wieder großem Interesse, wenn auch eher aus Kosten- denn aus Komfortgründen. Für einen besonders kontroversen Ruf sorgt sicherlich das mühsame Ein- und Aussteigen als Gruppe. Zunächst die unwillig-hilfsbereiten Männer, die die Koffer in den Zug hiefen, gefolgt von einem mitunter stundenlangen Stau im Gang, weil der Gang definitiv nicht dafür ausgelegt ist, sich an einer Horde von Knaben und Männern mit Koffern vorbeizuquetschen. Dann findet man sich in den unbequemen 6-Bett-Abteilen wieder, die nicht darauf ausgelegt sind, dass alle gleichzeitig das Abteil betreten. Also folgt ein wenig Koffer-Sänger-Tetris auf kleinstem Raum, bis endlich alle auf Ihren Betten sind. Nach einem unruhigen Schlaf mit lauten Knaben-Nachbarabteilen und dem Rattern der Räder auf den Schienen erwacht der Chor unausgeschlafen und demotiviert. Nun folgt das selbe Prozedere wie beim Einstieg, nur in umgekehrter Reihenfolge. Aus wirtschaftlicher und rationaler Sicht ist der Nachtzug in Punkto Preis und CO2-Fußabdruck natürlich attraktiv. Doch auf dem Bahnsteig des Zielbahnhofs versichern die geschafften Betreuer: «Das machen wir – definitiv – nie wieder». Dieses Versprechen hält vorraussichtlich so lange, bis die nächste Tournee ansteht. Der Teufelskreis beginnt von Neuem…