Stephanie Stiller

Interview

Kooperation mit dem NDR

Stephanie StillerStephanie Stiller wurde am 21. Mai 1966 in Bielefeld geboren.

Ihren ersten Gesangsunterricht nahm sie mit 17 Jahren. Nach dem Abitur studierte sie von 1985 bis 1992 Gesang an der Musikhochschule Köln. Im August 1993 trat sie dem NDR Chor als Sopranistin bei. Seit Sommer 2020 besteht eine Kooperation zwischen dem NDR Vokalensemble, dem Mädchenchor und dem Neuen Knabenchor Hamburg, bei der sie als Organisatorin von Seiten des NDR fungiert.

Im Sommer 2021 änderte der NDR Chor seinen Namen zu NDR Vokalensemble, daher wechseln sich diese Begriffe im Text ab.


Hallo Stephanie, ich freue mich, dass ich dich für die Synkope interviewen darf. Wir duzen uns, da ich dich von der Stimmbildung kenne.

Sehr gerne! Toll, dass wir dieses Interview machen und damit unsere Zusammenarbeit weiter tragen können. Das Austauschen von Erfahrungen ist mir sehr wichtig.

Was hatte die Corona-Pandemie für einen Einfluss auf das NDR Vokalensemble, also auf die geplanten Konzerte und die Sänger?

Das war eine traurige Zeit, das war bei euch ja nicht anders. Ab Mitte März 2020 waren alle Konzerte erstmal gecancelt, Proben durften nicht stattfinden. Damals gab es ja auch noch keine Maskenpflicht, deshalb durfte man sich nur draußen mit maximal einer Person treffen. Wir saßen daher in den ersten Monaten der Pandemie alle Zuhause, haben für uns selber geübt und uns hier und da per Video zusammengeschlossen. Es gab zwar einige Formate, wie zum Beispiel draußen als Quartett kleine Konzerte zu veranstalten oder online Musikvideos aufzunehmen, mehr aber nicht. Wir haben das gemeinsame Singen und Aufführen sehr vermisst.

Wie ist die Kooperation dann zustande gekommen?

Wir hatten im Frühjahr 2020, wie gesagt, wenig zu tun. Daher hat die Redaktion der Klangkörper sich überlegt, was man mit dem Publikum des NDR Chores, der Orchester und der BigBand machen könnte, damit man das Publikum in irgend einer Form doch bei der Stange halten kann. Das Projekt hieß damals Heimspiel, das war ein Angebot an das Publikum, Tutorials mit den NDR Musikern zu buchen. Beispiel: wenn jemand früher Flöte gespielt hat, und seine Flöte wieder heraus geholt hat, dann konnte er sich melden und sich online mit einer Flötistin oder einem Flöstisten aus dem Orchester zusammentun und dann 20 Minuten mit denen arbeiten. Außerdem wurden kleine Coachings zu den Themen Singen, Sprechstimme und Gehörbildung angeboten. Auch das ist gut angekommen, wir hatten viel Zuspruch. Ich habe auch meinerseits mit Leuten gearbeitet, die haben meist selber in einem Chor gesungen und konnten auch wegen Corona nicht proben. Danach haben wir uns in der Redaktion gedacht: Der NDR sitzt Luftlinie 500 Meter von der Jugendmusikschule entfernt und es wäre doch eine gute Idee, mehr Zusammenarbeit zu generieren. So kam es, dass einige von uns auch schon in der Lockdown-Zeit mit Mitgliedern eures Chores und dem Hamburger Mädchenchor online begonnen haben, Tutorials anzubieten. Aus dieser Arbeit resultierend, war unsere Überlegung dann, euch Jugendmusikschulchöre, also den Mädchenchor und den Knabenchor, zu unterstützen und dadurch Patenchöre zu schaffen. Andere Formate, wie Proben-Hospitationen oder Workshops sollen folgen.

Wie hat diese Kooperation mit dem Knabenchor und dem Mädchenchor stattgefunden?

Zunächst wurden Gespräche von unserem Redakteur Herrn Stephan mit euren Chorleitern durchgeführt. Ich als Koordinatorin für alles, was mit Education zu tun hat, habe mich als nächsten Schritt mit den beiden Chorleitern getroffen, um Vorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse der beiden Chöre abzugrenzen. Und manche Kollegen von uns haben sich dann mit einigen Sängern von euch getroffen und mit ihnen gearbeitet, auch als feste Schüler oder Schülerinnen. Die Umsetzung war sehr unterschiedlich, weil die zeitlichen Möglichkeiten der Einzelnen verschieden waren. Dann wurde überlegt, was das Ziel der Kooperation sein soll. Wir haben uns dafür entschieden, Stimmcoaching in den Vordergrund zu nehmen, weil wir ausgebildete und studierte Sänger sind und dementsprechend viel von unserem stimmlichen Wissen weitergeben können.

Und der Höhepunkt der Kooperation der drei Chöre war das große Konzert im Dezember?

Der Höhepunkt will ich nicht sagen, ich hoffe nicht, dass das schon der Höhepunkt war. Aber es war auf jeden Fall der Startschuss, damit in die Öffentlichkeit zu gehen. Das Konzert war eine ganz gute Möglichkeit, sich untereinander kennenzulernen. Eigentlich war auch geplant, dass sich die drei Chöre intern kennenlernen, aber das war wegen der Ansteckungsgefahr nicht möglich – wir mussten die Kohorten streng trennen. Stattdessen haben wir uns immerhin auf musikalischem Wege kennengelernt, aber leider nicht persönlich, das müssen wir dann irgendwann noch nachholen.

Du hast bei der Organisation des Weihnachtskonzertes geholfen, das das NDR Vokalensemble ausgerichtet hat. Wie lief die Zusammenarbeit mit den anderen Chören ab?

Es gab einige Videokonferenzen, bei denen wir alles besprochen haben. Die Absprachen wurden zusammen mit unserem Redakteur, unserem Chorleiter Klaas Stok und den Jugendmusikschulchorleitern Gesa Werhahn und Jens Bauditz getroffen. Diese betrafen dann die Programme und die Verteilung. Beispielsweise haben wir einige Lieder zusammen gesungen und deshalb die Strophen untereinander aufgeteilt. Auch die Tonarten der einzelnen Lieder haben eine Rolle gespielt, die waren teilweise in den Noten-Versionen der drei Chöre verschieden. Der Aufhänger war unser Weihnachtskonzert, ein Mitsingkonzert für Kinder war laut Dienstplan schon für den Tag im Dezember eingeplant, und da das Mitsingkonzert sowieso wegen Corona nicht hätte stattfinden können, war das die perfekte Gelegenheit, um das ursprüngliche Programm zu einem Konzert mit unseren drei Ensembles umzustricken.

Was sind deine Eindrücke vom Weihnachtskonzert und von den Chören?

Ich fand das Konzert total interessant und spannend. Ich durfte ja zuhören und habe drei total unterschiedliche Chöre mit unterschiedlichen Klängen erlebt. Die Besetzung war anders, die Altersstruktur war anders und auch logischerweise der Grad der Professionalität, aber jeder Chor hatte eine total unterschiedliche klangliche Aussage und jeder Chor für sich, wie ich fand, einen enorm hohen Stellenwert und hohes Niveau. Das hat mich sehr gefreut. Besonders bewundernswert fand ich, dass ihr alle auswendig gesungen habt. Auch die Auftrittsdisziplin und eure gute Gestaltung waren großartig, da habe ich mich riesig drüber gefreut.

Wie wird die Kooperation denn jetzt weitergeführt, was ist für die Zukunft geplant?

Es sind Probenbesuche eurerseits beim Vokalensemble angedacht, so wie ich auch schon in euren Proben war. Ihr könntet in kleinen Gruppen zu uns kommen und hospitieren, wenn es mal etwas für euch Interessantes bei uns gibt. Dann seht ihr, wie die Arbeit in einem professionellen Vokalensemble vonstatten geht. Auch Workshops sind geplant, zum Beispiel zu Themen wie Stilkunde, Atmung oder Auftrittstraining. So etwas könnte man dann nach Corona auch im großen Verbund machen, also mit allen Knaben oder allen Mädchen. Außerdem wird es in der Zukunft weiter Stimmcoachings und Einzelcoachings geben, vielleicht später auch mit einer Stimmgruppe, das heißt, dass wir die Stimmcoachings nur für eine Gruppe wie Sopran oder Bass machen. Jede Stimme hat ihre eigenen, sehr unterschiedlichen Problematiken, und die können wir so verstärkt angehen. Bis jetzt hat Corona uns überall etwas gebremst, aber wir schauen jetzt, welche Themen euch interessieren würden und was wir da machen könnten. Insgesamt wollen wir euch, sowohl dem Mädchenchor als auch dem Knabenchor, beim Fortkommen helfen. Es wäre daher gut, wenn ihr euch vielleicht mal zusammensetzt und in einem Brainstorming besprecht, was eure Wünsche wären und welche Themenschwerpunkte wir angehen sollen.

Wird es in Zukunft weitere Konzerte in dieser Konstellation geben?

Das hoffen wir sehr! Das Weihnachtskonzert soll nicht das Einzige bleiben. Wir müssen mal schauen, wie die weitere Planung ist und wann sich mal wieder eine Möglichkeit ergibt, wo man ein angedachtes Programm auf die beiden anderen Chöre ausweiten kann. Vielleicht wird das auch ein Format, das sich immer wieder wiederholt – das wäre natürlich toll.

Was ist das langfristige Ziel der Kooperation und der Coachings?

Der NDR und alle ARD-Anstalten haben einen Bildungsauftrag, das heißt, dass wir uns neben unseren Konzerten oder Auftritten im Fernsehen bemühen, Bildung weiterzugeben. Dem kommen wir natürlich mit so einer Kooperation nach. Interessant ist die Kooperation, weil sie anders aufgebaut ist als zum Beispiel Schulbesuche. Normalerweise arbeiten wir viel mit Schulklassen, Musikklassen und Grundschulen, der Vorteil unserer Kooperation ist aber, dass sie von Sängern für Sänger gemacht ist. Es gibt ganz andere Themenschwerpunkte, da man bei euch Chorsängern schon eine ganz andere Wissensbasis vorraussetzen kann. Dementsprechend ist das eine schöne Sache. Das Ziel der Kooperation ist unter anderem, unterschiedliche Wissensstände einzelner Sänger auszugleichen. Ihr seid ja ein sehr unterschiedlicher Haufen, einerseits habt ihr unterschiedliche Vorbildung, ihr seid sehr unterschiedlich alt, und deshalb hat jeder so seinen eigenen Wissensbereich den er mitbringt oder Erfahrungen. Jeder hat unterschiedliche Lücken, der eine kann noch nicht Noten lesen, der andere möchte gerne etwas Gehörbildung machen, der nächste hat Probleme mit seiner Stimme und so weiter. Wir versuchen, diese Lücken individuell auszugleichen und dadurch die Begeisterung für das Singen weiterhin zu befeuern. Das Ganze ist irgendwo, wenn man so will, langfristig gesehen eine Art Nachwuchsförderung. Denn es könnte sein, dass der ein oder andere durch diese Erfahrung sich dazu entscheidet, etwas beruflich mit Musik zu machen. Ich selber habe mich auch nur durch Förderung dazu entschieden, etwas beruflich mit Musik zu machen. Und natürlich ist es für uns auch eine Investition in die Zukunft, da ihr ja auch unser Publikum von morgen seid. Wir möchten als NDR Vokalensemble eine Publikumsbindung aufbauen, sodass wir dann eben auch immer mehr Interessierte für unsere Konzerte und unsere Arbeit bei euch heranziehen.

Vielen Dank, dass du dich für das Interview zur Verfügung gestellt hast.